Wo findet Weltgeschichte statt? Von wem wird sie "gemacht"? Hat der einzelne Gewicht? Lohnt sich der Kampf, der doch so unendlich viele Opfer fordert? Fragen, die einen jungen Mann aus einem kleinen Städtchen Nordungarns der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts seit jeher umtreiben, ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Er ist süchtig danach herauszufinden, worin der Sinn des Lebens besteht. Vor allem, wie man "jeden Menschen einzeln und alle insgesamt erlösen" könnte. Um Antworten zu finden, verläßt er mutig die für ihn vorgezeichneten Wege, kehrt seiner katholischen Erziehung den Rücken, wird leidenschaftlicher Verfechter von Freiheit und Gerechtigkeit, was ihn jedoch nicht vor Irrwegen oder falschen Entscheidungen schützt. Ein Leben, dessen Bogen sich spannt zwischen Idealismus und Erkenntnisdrang, Heimatliebe und Fernweh, Nietzsche und Marx, Einzelgänger und Hingabe an die Sache des Sozialismus. Und zwischen allem das wechselvolle Geschehen einer ganzen Epoche - meisterhaft erzählt von Almos Csongár in seinem Buch "Wie die Jungfrau zum Stier wurde". Es ist eine Autobiographie, deren romanhafte Züge von außerordentlich großer Detailtreue und stimmungsvollen Schilderungen vor allem seiner Kinder- und Jugendjahre geprägt sind. Ja, man kann sagen, der Besitz seines Werkes - in gewisser Weise ein Kleinod - stellt eine Bereicherung des geistigen Horizonts und wenn man so will, des eigenen Lebensgefühls dar. Es bedeutet indes nicht die unkritische Akzeptanz aller vom Autor zu historischen Vorgängen vorgestellten Sichtweisen. Hier findet sich - wie beispielsweise die Charakterisierung der Ereignisse in Ungarn 1956 - durchaus Strittiges, was den Leser zu eigener Positionierung herausfordert.
Dennoch ist die Lektüre ein spannendes, lehrreiches Abenteuer, das dem 1920 in einem der "ärmsten Winkel des Kontinents", in Ungvár, geborenen Almos Csongár seinen unverwechselbaren Stempel aufdrückt. In dem von schicksalsschweren Entscheidungen gebeutelten Ungvár (Ushgorod/heute Ukraine), das durch die k.u.k.-Monarchie erst an die CSR, dann wieder an Ungarn fiel, spielten sich heftige politische, religiöse und soziale Konflikte zwischen Ungarn, Slowaken, Juden, Ruthenen, Polen, Zigeunern und Deutschen ab. Almos Csongár gerät mitten hinein in den Kampf des Alten mit dem Neuen, der Reaktion mit dem Fortschritt, des Faschismus gegen den Sozialismus. So wird aus dem braven Sohn aus gutsituierter, dann aber verarmter Bürgerfamilie ein "Rebell", der mit Wort und Feder gegen Obrigkeiten zu Felde zieht und immer wieder in erkenntnistheoretischen Studien der Wahrheit auf den Grund gehen will. Irgendwann liegt auch das Manifest vor ihm, und er bekennt: "Endlich fand ich einen realen politischen Sinn in der Geschichte, die mir bis dahin nur als eine endlose Kette von blutigen Machtkämpfen, Gewalttaten und Intrigen erschien. Jetzt begriff ich, wie sich die Gesellschaft entwickelt. ... Jetzt wußte ich, wo der Feind steckte und gegen wen ich meine Rebellion zu richten hatte."
Almos Csongár war in Ungarn wie in der DDR zu Hause. Er arbeitete als Dozent für russische und sowjetische Literatur sowie als Publizist. Er schrieb Literaturkritiken, verfaßte zahlreiche literarische Essays und philosophische Abhandlungen. Er hat mehr als 30 ungarische Romane ins Deutsche übersetzt und versah sie mit ausführlichen sachkundigen Nachworten. "In der DDR war ich nach einer Odyssee durch immerhin vier Länder endlich ans Ziel gelangt. Während ich bis dahin überall, ob in der bürgerlichen CSR, ob im halbfeudalen Ständestaat Horthy-Ungarns, ob im nazistischen Deutschland, ob in Westberlin, ein Fremder geblieben war und mein Leben am Rande fristete, fühlte ich mich in der DDR von Anfang an als Bürger dieses Staates." Almos Csongár verteidigt bis heute die revolutionäre Entwicklung in beiden Ländern und steht zu deren sozialistischen Errungenschaften.
- Gebundene Ausgabe 448 S.
- Verlag: Oberbaumverlag; (2006)
- ISBN-10: 3933314534
- ISBN-13: 9783933314536
- 21,6 x 13 x 4,4 cm