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leichte Lagerspuren, ansonsten ungebrauchtes Exemplar

 

Zunächst denkt man bei dem Namen Carl Friedman an einen männlichen Verfasser, doch hinter diesem Namen versteckt sich eine junge, 1952 geborene, niederländische Autorin. Bekannt wurde sie in Deutschland mit ihrem ersten Roman Vater. Schon hier hat sie sich mit dem Thema Judenverfolgung und Konzentrationslager beschäftigt. Auch ihr zweiter Roman Zwei Koffer widmet sich dieser Thematik.

Chaja, die Protagonistin, lebt in Antwerpen und ist 1970 gerade zwanzig Jahre alt. Sie finanziert ihr Philosophiestudium durch kleine Nebenjobs. Morgens bindet sie Kränze in einem Blumenladen und mittags beaufsichtigt sie die Kinder einer orthodoxen jüdischen Familie. Durch den Kontakt mit den Kalmans wird Chaja an ihre eigene jüdische Herkunft erinnert. Auch wenn es zu Hause nur ganz am Rande angesprochen wird, bemerkt sie, daß die Vergangenheit die Eltern bis heute nicht losläßt.

 

Die Mutter hat Auschwitz überlebt, und auch wenn sie ständig beteuert, daß die Vergangenheit keine Bedeutung mehr hat, ist sie pausenlos damit beschäftigt, "Auschwitz jeden Tag aufs neue unter Kuchenrezepten und Teevisiten zu begraben: die reinste umgekehrte Archäologie."

Der Vater, mittlerweile in Pension, hat sich die Suche nach zwei Koffern zum Lebensinhalt gemacht, die er während des Krieges, kurz bevor er untertauchen mußte, um sich der Deportation zu entziehen, vergraben hatte. Der Inhalt der Koffer ist zwischenzeitlich bedeutungslos. Er wird einzig von dem Wunsch getrieben, mit den Koffern all das wiederzufinden, was der Krieg ihm genommen hat -- seine Jugend, seine Mutter, seine Schwester. "Nicht seine Koffer sind weg, er selbst ist in diesem Scheißkrieg verlorengegangen. Und eigentlich wir alle." Chajas Vater gräbt in Wahrheit nach sich selbst.

 

Zwei Koffer ist ein Buch, das aus der Gegenwart der siebziger Jahre zeigt, daß die Vergangenheit noch lange nicht abgeschlossen ist, und daß das Leben der Juden immer noch von ihr bestimmt wird und keineswegs leichter geworden ist. Ein Buch der leisen, nachdenklichen Töne.

Wenn Chaja beschreibt, daß sich ihr Vater immer mit einem "Ich liebe dich" verabschiedet, selbst wenn er nur kurz zum Bäcker um die Ecke geht, klingt das zunächst übertrieben. Doch die Erklärung des Vaters, daß er das unbedingt gesagt haben wollte, denn seine Familie könnte sich in Rauch aufgelöst haben, bevor er das Ende der Straße erreicht hat, läßt dem Leser nach einem kurzen Stutzen nur ein beklemmendes Schlucken. Denn genau dies haben die Juden so erlebt, in einer Zeit, als alles möglich war, und die sie ihr Leben lang nicht vergessen können

 

  • Herausgeber ‏ : ‎ Kiepenheuer; 1996
  • HC geb. mit 190 S.
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3378005955
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 9783378005952

Friedman Carl, Zwei Koffer (antiquarisch)

Artikelnummer: 9783378005952
CHF 6.50Preis
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